Beschreibungen von (aussergewöhnlichen) Witterungsereignissen
Philippe de Vigneulles (1471-1526), ein Winzer und Weinhändler in der französischen Stadt Metz, verfasste eine Chronik in einem altertümlichen Französisch. Besonders aufmerksam zeichnete er die Entwicklung der Reben, die Grösse der Weinernten und die Qualität des Weinmosts auf; denn seine Einkünfte hingen zu einem wesentlichen Teil davon ab.
Die Auswirkungen extremer Witterungsverhältnisse auf die Weinkulturen illustriert eine Textstelle, die Philippe de Vigneulles aus der Chronik Marot übernahm: „In diesem Jahr [1437] am 28. September [8. Oktober nach dem Gregorianischen Kalender] war es so kalt, dass die Trauben im Stadtstaat von Metz und in benachbarten Territorien [an den Stöcken] gefroren, ehe sie reif waren. Man musste sie in unreifem Zustand ernten, was seit Menschengedenken nie vorgekommen war. Niemand konnte den Saft trinken und es gab wenig davon, weil mehr als die Hälfte der Beeren gefroren war. In der Folge nahm der Preis des Weins zu.“
Neben einer Vielzahl von Wetterberichten aus der Zeit zwischen 1315 und 1526 finden sich in der Chronik 88 phänologische Beobachtungen. Andere Winzer verfassten ähnliche Chroniken wie Philippe de Vigneulles. Die chronikalen Berichte zu Metz bei Philippe de Vigneulles sind in Euro-Climhist aufgenommen. In Bezug auf Dauer, Dichte und Qualität der Beobachtung gehören die Daten aus Metz zu den wichtigsten Belegen für die Klimageschichte des 15. Jahrhunderts (Litzenburger 2015).
Renward Cysat (1545-1613) war der Kopf der katholischen Reform („Gegenreformation“) in der Schweiz und zugleich mit Leib und Seele Naturforscher. Von 1588 bis zu seinem Tode beschrieb er den Witterungsverlauf und seine Auswirkungen in Luzern und auf den umliegenden Bergen (Pilatus, Rigi) unter Verwendung quantifizierender Angaben. Er hielt seine Beobachtungen wie Wolfgang Haller in Schreibkalendern fest, die jedoch verloren sind. Er zählte aber die täglichen Beobachtungen in vielen seiner Kalender monatsweise auf. In seinem Werk Collectanea pro Chronica Lucernensi et Helvetiae (Sammlung für eine Chronik von Luzern und der Schweiz) vermerkt er beispielsweise zum feuchten und kühlen Monat Mai 1613: „1613 [Mai] [...] Hat ghept 25 regentag darunter 9 wol ergibig vnd wassers gnuog meertheils tag vnd nacht. Küele, nasse, vnlustige, melancholische zyt von dem 14ten dannen bis ans end dess monats. Die Vbrigen tag schon, […], darunder ettlich küel morgen, 2 tag grosse hitz, 3 aber mittelwarm“. Cysat erkannte klar, dass es im ausgehenden 16. Jahrhundert längerfristig kälter wurde, wobei er den Begriff „Klima“ oder gar „Klimawandel“ im heutigen Sinne noch nicht kannte (Pfister 2013).
Der Domherr Gaspar Bérody (1585-1646) führte in der Abtei Saint-Maurice über die Witterungsextreme im (Unter-)Wallis zwischen 1610 und 1642 Buch. So fiel in der zweiten Julihälfte 1621 auf den Alpweiden tiefer Schnee, wodurch viel Vieh verhungerte oder in tiefere Lagen getrieben und mit Heu durchgefüttert werden musste. Am 15. August wurde in Saint-Maurice eine Prozession mit der Bitte um warmes und sonniges Wetter durchgeführt. Jahre „ohne Sommer“ wie 1621 sind kennzeichnend für das Klima der „Kleinen Eiszeit“ (1300 bis 1850).
Pater Joseph Dietrich (1645‑1704) führte mit anderen das Tagebuch des Klosters zwischen 1670 und 1704. Bis Mitte der 1680er Jahre hielt er extreme Witterungsereignisse wie den hochwinterlichen Charakter des Novembers 1676 fest: „In disem und folgendtem Monat war ein staette grauwsambe und by Mans gedenkten niemahl erfahrene Kelte, worvon vast alle Bruennen eingefrohren und ein zimlicher Mangel an Wasser erfolget und der Zuericher See bis in die Statt eingefrohren [Zürichseegefrörne]. Viler Ohrter hatt das Mahlen muessen eingestellt bliben und ist deswegen das Maehl umb etwas tewrer worden“. Von der Mitte der 1680er Jahren an werden die Schilderungen immer dichter, umfassen nicht selten mehrere Zeilen und erstaunen durch ihre Fülle an fein beobachteten Einzelheiten, etwa auch zu verschiedenen Wolkenformen (Pfister 1984). Dietrichs Tagebücher im Klosterarchiv sind heute vollständig digitalisiert.
Seit 2015 läuft ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF 2015-2019) und von mehreren Stiftungen unterstütztes Projekt zu einer vollständigen kommentierten Online-Edition seines Tagebuchs und zur Integration seiner Wetterbeobachtungen in Euro-Climhist.