Euro-Climhist – Wege zur Wetternachhersage

Wettertagebücher

Persönliche Quellen sind vielfältig und lückenhaft. Wer ihren Sinn verstehen will, muss sich mit dem Lebensumfeld des Autors – nur in Ausnahmefällen auch Frauen –, seiner Motivation und seiner Sprache vertraut machen.

Jan z Kunovic stammte aus einer begüterten Familie in der mährischen Stadt Kunovice (Kunowitz). Er studierte an den Universitäten von Olomouc (Olmütz), Leipzig und Bologna und wurde einer der reichsten und einflussreichsten Männer seiner Zeit in Mähren. Von 1531 bis 1545 trug er tägliche Beobachtungen in tschechischer Sprache am rechten Rand seines Kalenders ein. Kunovic beschrieb die Temperaturverhältnisse, die Niederschläge, die Bewölkung, Wind und Wetter (Brázdil et al. 2013: 20-22). Seine Beobachtungen bilden die Grundlagen für die Temperaturschätzungen für West- und Mitteleuropa in dieser Zeit (Dobrovolný et al. 2010).

Probst Wolfgang Haller (1525-1601) war in Zürich zuständig für die Verwaltung der Kirchengüter, d.h. die staatliche Umverteilung von Getreide und Wein. Er hielt von 1545 bis 1576 die tägliche Witterung in seinem Kalender, einer Vorform der heutigen Agenda, fest. So schreibt er am 3. Januar 1573: „grimm kalt mit näbel morgens, darnach sunnschyn“.

Louis Morin wirkte als Arzt im Pariser Spital Hôtel Dieu. Von 1665 bis 1713 führte er ein Wettertagebuch, in dem er dreimal täglich ein Thermometer und ein Barometer ablas. Daneben zeichnete er Windrichtung und -stärke, die Herkunftsrichtung der Wolken, die Herkunft der dominanten Luftmasse, die Geschwindigkeit der Wolken, den Grad der Bewölkung, Dauer und Intensität des Niederschlags sowie Nebel, Hagel und Gewitter auf. Wohl als erster Beobachter interessierte sich Morin anhand der Herkunftsrichtung der Wolken für die in der Höhe herrschenden Luftströmungen. Der Arzt kannte einen strikt regulierten Lebensrhythmus. Um 2 Uhr morgens stand er auf und betete bis um 5 Uhr. Gegen 6 Uhr machte er vermutlich seinen ersten Eintrag im Wettertagebuch. Anschliessend kümmerte sich der Arzt bis um 11 Uhr um seine Patient:innen. Anschliessend nahm er das Mittagessen ein. Offen ist, ob er um diese Zeit seine zweite Wetterbeobachtung dokumentierte. Im Winterhalbjahr las er anschliessend in der Bibliothek bis am Abend Fachliteratur. Im Sommerhalbjahr sah er vor der Lektüre bis um 2 Uhr nachmittags die Pflanzen im Botanischen Garten an. Schon um 7 Uhr abends ging er zu Bett, nicht ohne vermutlich seinen dritten Eintrag im Wettertagebuch niederzuschreiben. Morin war ein lediger, eher menschenscheuer Einzelgänger. Seine 48 Jahre lang durchgeführten sorgfältigen Temperaturmessungen liegen dem ältesten Teil der langen Temperaturreihe von Paris seit 1659 wesentlich zugrunde (Rousseau 2012).

Johann Heinrich Fries studierte Theologie und wirkte von 1676 an am Zürcher Collegium humanitatis als Professor (Gymnasiallehrer) für Katechese (Konfirmationsunterricht), später auch für Sprachen. Von 1684 an lehrte er Rhetorik an der philosophisch-theologischen Hochschule, dem Zürcher Carolinum. Fries führte von 1684 bis 1718 ein weitgehend lückenloses Wettertagebuch, in dem er Himmelsbedeckung, Niederschläge und Temperaturverhältnisse mit einem breiten Spektrum verschiedener, inhaltlich oft überlappender Ausdrücke charakterisiert. Fries verknüpfte seine Wetterdaten mit chronikalischen Aufzeichnungen, in denen er die Auswirkungen der Witterung auf die Gesellschaft beschreibt. Besonders wertvoll sind seine sorgfältigen Beobachtungen über den Zeitpunkt des Einschneiens und Ausaperns (Schneeschmelze), aus denen die Dauer der Schneebedeckung geschätzt werden kann, sowie Informationen, in denen er auf die Auswirkungen der Witterung auf die Gesellschaft eingeht (Pfister 1977). So schrieb er zum Januar 1709: Am 5. Januar 1709 herrschte „wind und regen, wovon der schnee auf der ebne aller weggeführt“. In der Nacht vom 6. Januar folgte ein Kaltlufteinbruch: „Morgens lag ein neuer schnee und schneiete fort bis gegen 12 uhr. Die kälte war widerumb grosser. Darauf eine sehr kalte nacht.“ Die chronikalischen Aufzeichnungen von Fries wurden nach seinem Tode durch eine unbekannte Hand bis März 1721 fortgesetzt.

Die Winzerfamilie Peter in Saint-Blaise (NE) zeichnete während 44 Jahren (1702-1746) die Witterung auf und hielt den Zeitpunkt der Rebenblüte und der Weinlese systematisch fest. Der „Receveur“ (Zehntverwalter) Elie Peter (gest. 1724) berichtete über die Jahre 1702 bis 1723. Sein namentlich nicht bekannter Sohn, der „Greffier“ (Amtsschreiber) (1700-1746), setzte das Werk seines Vaters bis 1728 fort. Dessen Bruder (?) Pierre (1705-1755) führte die Beobachtungen bis 1746 weiter. Elie und sein Sohn fassten Tage mit gleicher oder ähnlicher Witterung zusammen, so etwa den 12. bis 16. April 1705 („schön“), wobei sie auffällige Tage – beispielsweise Starkfröste – einzeln beschrieben. Pierre ging stärker ins Detail und erwähnte beispielsweise sommerliche Schneefälle auf dem Chaumont (1180 m). In Euro-Climhist sind neben den phänologischen Beobachtungen (ab 1702) die Witterungsbeschreibungen von 1719-1746 enthalten.

Johann Bernhard Effinger (1701-1772) entstammte einer Familie des bernischen Landadels und besass das Schloss und die Herrschaft Wildegg (AG) mit 80 Hektaren Kulturland und Wald. 1735 gelangte er in den Grossen Rat und amtete 1747-1753 als Schaffner (Verwalter) des St. Vinzenzenstifts in Bern. Er widmete sich vorrangig seinen landwirtschaftlichen Besitzungen und hielt in diesem Zusammenhang die Witterung fest. Dabei fasste er öfters Tage mit ähnlichen Verhältnissen unter dem gleichen Begriff zusammen, etwa „kalt und Regen“. Regelmässig erwähnte er den ersten Schneefall. Längere Trockenphasen charakterisierte er mit Verweis auf die Verknappung des Wassers (Schwarz-Zanetti, Pfister, Müller 1995).