Instrumentenmessungen
Frühe Messungen mit Instrumenten reichen zum Teil bis ins 17. Jahrhundert zurück und werden ab der Mitte des 18. Jahrhunderts deutlich zahlreicher und zuverlässiger. Sie müssen freilich in jedem Fall kritisch untersucht werden. Dies gilt für die Instrumente selbst, für ihre Platzierung, für den Zeitpunkt der Ablesungen und allfällige Veränderungen dieser Bedingungen. Frühe Thermometer waren nicht wetterfest und wurden meist im Inneren von Gebäuden aufgehängt. Zudem waren sie zeitweise der Sonne ausgesetzt. Generell sind Temperaturmessungen in den Wärmeinseln grösserer Siedlungen zu hoch. Im günstigsten Fall können diese Rahmenbedingungen anhand der Betriebsprotokolle überprüft werden. Nur so können Messungen homogenisiert, d.h. zeitlich und räumlich vergleichbar gemacht werden. Homogen ist für den Alpenraum einzig die HISTALP Reihe ab 1774 (Auer et al. 2007). Bis 1659 zurück reicht die homogenisierte Temperaturreihe von Paris (Rousseau 2012).
Heutige Messungen werden möglichst siedlungsfern in sogenannten Wetterhütten zwei Meter über dem Boden durchgeführt. Bei Messungen unter anderen Bedingungen muss die Grösse des Messfehlers angegeben werden.
Messgeräte
Pater Louis Cotte, Chorherr an der Kathedrale von Laon, stand als Wissenschafter unter anderem mit der Pariser Académie des Sciences sowie der Societas Meteorologica Palatina in Mannheim (Baden-Württemberg) in Verbindung, die ein weitläufiges internationales meteorologisches Messnetz ins Leben rief. Seine Mémoires zeigen die besten meteorologischen Instrumente seiner Zeit. Barometer waren seit dem frühen 18. Jahrhundert in begüterten Haushalten verbreitet.
Dieses Quecksilber-Glas-Thermometer wurde vom Lyoner Instrumentenmacher Pierre Casati um 1790 verfertigt. Es war dieses eines der ersten Thermometer, das die 1742 vom schwedischen Astronomen Anders Celsius (1701-1744) erfundene und nach ihm benannte Skala verwendete. Allerdings war die Skala bei Celsius ursprünglich abwärts gerichtet, mit einem Wert von 0 ºC für den Siedepunkt und 100 ºC für den Gefrierpunkt des Wassers. Jean-Pierre Christin, Mitglied der Société Royale von Lyon, drehte die Skala 1743 um, sodass der Gefrierpunkt 0 ºC und der Siedepunkt 100 ºC entsprach. Dies steht neben der Skala dieses Thermometers vermerkt, das Werte zwischen -35 ºC und 100 ºC anzeigen kann. Thermometer waren von der Mitte des 18. Jahrhunderts an in begüterten Haushalten verbreitet.
Im Unterschied zu Barometern und Thermometern, die in grösseren Stückzahlen hergestellt und durch Krämer vermarktet wurden, mussten Niederschlagsmesser durch Handwerker nach Planvorgaben einzeln angefertigt werden. Dies dürfte ein Grund dafür sein, weshalb Niederschlagsmessungen vor dem 19. Jahrhundert relativ selten durchgeführt wurden. Da die Regenmesser zudem Wind und Wetter ausgesetzt waren, sind sie ausserdem nur ausnahmsweise erhalten geblieben und weitgehend nur aus Zeichnungen in Publikationen bekannt. Historische Niederschlagsmessungen sind aus mehreren Gründen ungenau. Die Behälter müssen gegen Verdunstungsverluste und Frost abgeschirmt sein. Zudem darf der Niederschlag darf nicht durch nahe Gebäude und Bäume behindert werden. Die Oekonomische Gesellschaft Bern liess 1760 für ihr meteorologisches Messnetz einen Regenmesser (Pluviometer) konstruieren, der die Verdunstungsverluste dadurch herabsetzte, dass das Wasser aus dem trichterförmigen Auffanggefäss durch ein enges Rohr in ein Speichergefäss floss. Eine statistische Überprüfung der Berner Niederschlagsmessungen hat ergeben, dass diese qualitativ mit heutigen vergleichbar sind (Pfister 1975).
1808 wurde bei der Schifflände in Basel am Wassertor der Schweiz ein Rheinpegel installiert, der bis heute täglich abgelesen wird. In dieser 200-jährigen, längsten zusammenhängenden Abflussreihe der Schweiz treten extreme Hoch- und Niedrigwasserstände hervor, von denen aus auf aussergewöhnliche Niederschlagsereignisse und Trockenperioden geschlossen werden kann (Pfister, Weingartner, Luterbacher 2006; Wetter et al. 2011).
Pioniere der Instrumentenmessung in der Schweiz
Der Zürcher (Stadt-)Arzt, Naturwissenschafter und Universalgelehrte Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) führte in seinem Haus im Zürcher Niederdorf von 1708 bis 1733 als erster – allerdings nicht ganz lückenlos – instrumentelle Messungen von Luftdruck, Lufttemperatur und Niederschlag durch und las den Wasserstand der Limmat an einen Pegel ab. Die Ergebnisse publizierte er teilweise in wissenschaftlichen Zeitschriften wie den Pariser Mémoires de l’Académie des Sciences und den Londoner Philosophical Transactions. Die Kommentare verfasste er in der damaligen Gelehrtensprache Latein (Pfister 1999: 27). Sein Hauptwerk, die dreibändige „Natur-Geschichte des Schweitzerlands“, ist in digitalisierter Form öffentlich zugänglich.
Frédéric Moula (1703-1782), Mathematiker aus einer Familie von hugenottischen Flüchtlingen, führte von 1753 bis zu seinem Tode in Neuenburg ein Wettertagebuch, in das er dreimal täglich thermometrische und barometrische Messungen eintrug. Dabei benutzte er ein Fahrenheit-Thermometer. Der Neuenburger Mathematiker und Naturwissenschaftler Charles-Guillaume Kopp stellte zwar schon im 19. Jahrhundert eine Gesamtpublikation des Wettertagebuchs in Aussicht, doch ist eine solche nie erfolgt. Erst der Meteorologe Max Schüepp berechnete aus Moulas täglichen Temperaturmessungen monatliche Mittelwerte (Schüepp 1961), die in Euro-Climhist eingeflossen sind.
Johann Jakob d’Annone (1728-1804), ein Jurist, lehrte ab 1759 Römisches Recht, Numismatik, Mathematik und Naturgeschichte. 1766 erhielt er eine Professur für Eloquenz an der Universität Basel, 1779 eine solche für Codex und Lehensrecht. Er gilt als „Vertreter des enzyklopädischen Zeitalters“ (Andreas Staehelin). Fünf seiner zahlreichen Publikationen betrafen die Meteorologie und weitere fünf sein eigentliches Spezialgebiet, die Versteinerungen (Staehelin 1957: 321). Von 1755 führte er in seinem Haus Heuberg 16 in Basel bis zu seinem Tode 1804 tägliche Messungen der Temperatur und des Luftdrucks sowie Wetterbeobachtungen durch. Max Bider, Max Schüepp und Hans von Rudloff (1959) haben die Temperaturreihe homogenisiert, aber die rekonstruierten Sommertemperaturen liegen immer noch etwas zu hoch (Auer et al. 2007).
Die Genfer Meteorologen des späten 18. Jahrhunderts
In Genf befassten sich nach 1760 gleich mehrere Wissenschaftler mit meteorologischen Beobachtungen und Messungen, wobei die 1776 gegründeten Société des Arts dem wissenschaftlichen Austausch diente (Grenon 2010).
Charles Benjamin, Baron de Lubières (1714-1790), Spross einer hugenottischen Flüchtlingsfamilie und Mitglied des Grossen Rates, mass von 1770 bis 1789 täglich Temperatur, Luftdruck und Niederschlag und zeichnete Windrichtung, Himmelsbedeckung und Vegetationsentwicklung auf. Im Sommer wohnte er in Petit Saconnex nahe der damaligen Stadt, im Winter in Genf an der Rue de Beauregard. Seine im Archiv des Observatoriums der Universität Genf in Sauverny aufbewahrten Beobachtungen wurden mittlerweile ausgewertet (Gautier 1843; Häderli 2015). Von besonderem klimageschichtlichem Wert sind seine Niederschlagsmessungen von 1771 bis 1777, an die sich ab 1778 jene des Observatoriums anschliessen (Grenon 2010).
Guillaume-Antoine Deluc (1729-1812), ein Bruder des berühmten Physikers und Geologen Jean-André Deluc, gehörte dem Grossen Rat seiner Vaterstadt an und begeisterte sich seit seiner Jugend für naturwissenschaftliche Beobachtungen, namentlich Meteorologie und Geologie (Fossilien). Er bestieg mit seinem Bruder zahlreiche Gipfel im Mont Blanc-Massiv. Guillaume-Antoine Deluc führte von 1768 an ein Wettertagebuch mit instrumentellen Messungen (Gautier 1843: 3), die Max von Schüepp (1961) und Stefan Häderli (2015) ausgewertet wurden (Serie 7).
Marc-Auguste Pictet (1752-1825), ein Rechtskonsulent des Grossen Rates, widmete sich der Physik und der Meteorologie. Von 1779 an war er für die Beobachtungen am 1773 gegründeten Observatorium verantwortlich (Grenon 2010).
Die Niederschlagsreihe von Genf (1771 bis zur Gegenwart), eine der längsten in Europa, setzt sich aus den Messungen des Baron de Lubières (1770-1777), jenen am Observatoire (1778-1863) und jenen der Messtation(en) der heutigen MeteoSchweiz zusammen. Sie wurde in Euro-Climhist erstmals publiziert, doch sind die Werte für die Zeit vor 1864 noch nicht homogenisiert (Sigrist 1990). 1782 wählte die 1780 gegründete Societas Meteorologica Palatina Genf als Messstandort, wobei der Oberbibliothekar Jean Senebier (1742-1809) die Messungen durchführte (Grenon 2010). Die Societas Meteorologica Palatina rüstete ihre Messstationen in Europa mit einheitlichen Instrumenten aus, legte einheitliche Messzeiten fest und publizierte die Resultate in einem Jahrbuch.