Historische Bildquellen zum Zustand der Gletscher
Gletscher in Gebirgsräumen reagieren sehr sensibel auf Klimaveränderungen, da sie Temperatur- und Niederschlagstendenzen über alle Jahreszeiten integrieren. Ihre Schwankungen gehören zu den deutlichsten Hinweisen auf Erwärmungs- und Abkühlungstendenzen, die uns die Natur vermittelt. Neben schriftlichen Hinweisen erlauben es historische Bilddarstellungen von Gletschern in Form von Zeichnungen, Gemälden, Drucken und frühen Fotografien, Gletscherstände in den Alpen vom frühen 17. Jahrhundert an zu rekonstruieren. Historisches Material liegt nur von solchen Gletschern in einer befriedigenden Menge vor, die schon früh den erforderlichen Bekanntheits- und Attraktivitätsgrad erreichten, um Reisende, Wissenschaftler und Künstler herbeizulocken. Bilddarstellungen aus Malerei und Grafik stammen vereinzelt bereits aus dem frühen 17. Jahrhundert, treten aber gehäuft erst mit der aufkommenden Mode der Alpenreisen im 18. Jahrhundert auf. Ab dem Ende der 1840er Jahre sind auch Fotografien verfügbar.
Der Untere Grindelwaldgletscher im Berner Oberland ist diesbezüglich wohl der am besten untersuchte weltweit. Heinz J. Zumbühl rekonstruierte seine Schwankungen anhand von über 360 Bilddokumenten in Verbindung mit chronikalischen Aufzeichnungen der lokalen Bevölkerung und Berichten von Naturforschern (Zumbühl 1980; Zumbühl 2009; Zumbühl et al. 2016). Ebenfalls von Reisenden, Wissenschaftern und Künstlern oft besucht, vor allem seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, ist das Mont Blanc-Gebiet mit seinen prominenten Gletschern wie dem Mer de Glace oder dem Glacier des Bossons (Nussbaumer et al. 2012). Neben dem Alpenraum rückten im 19. Jahrhundert auch die relativ leicht zugänglichen Gletscher in Norwegen in den Blickpunkt des Interesses, sodass die Zahl der überlieferten Gemälde, Zeichnungen und Fotografien eine klimageschichtliche Auswertung erlaubt.
Historische Bilddokumente auszuwerten ist oft schwierig und verlangt sorgfältige Analysen, vor allem vor dem 19. Jahrhundert. Um optimale Vergleiche bezüglich der Gletscherausdehnung vornehmen zu können, sollten die Bilddarstellungen drei Voraussetzungen erfüllen:
- Die Abbildung muss genau datierbar sein, d.h., der Zeitpunkt, zu dem der Künstler den Gletscher aufgenommen hat, muss bestimmt werden können.
- Der Gletscher und seine Umgebung müssen topografisch korrekt abgebildet sein.
- Der Aufnahmestandort des Künstlers muss bekannt sein.
Die Euro-Climhist-Datenbank umfasst aktuell rund 300 Bilddarstellungen von Gletschern, insbesondere zu den beiden Grindelwaldgletschern, zum Rhonegletscher, zum Unteraar- und Rosenlauigletscher, ausserhalb der Schweiz zum Mer de Glace und Glacier des Bossons (Frankreich) sowie zu mehreren Gletschern in Norwegen. Die Bilddarstellungen können einem dieser fünf Bildtypen zugeordnet werden:
Die Bilddarstellungen können einem dieser fünf Bildtypen zugeordnet werden:
Z = Zeichnung; G = Ölgemälde; D = Druckgrafik; F = Fotografie; K = Karte
Bei Ölgemälden gilt es zu beachten, dass diese oft, aber nicht immer, nach Naturstudien (Zeichnungen, z.T. aquarelliert und gouachiert) ausgeführt wurden. In diesem Fall verweist das auf dem Gemälde meistens beigefügte Datum auf das Jahr der Fertigstellung im Atelier, das nicht unbedingt identisch mit dem für den Gletscherstand entscheidenden Jahr der Alpenreise des Künstlers sein muss. Bei grafischen Blättern (Druckgrafik) und Fotografien wiederum sind oft umfangreiche Nachforschungen erforderlich und Reisedaten meistens nur durch Künstlerbiografien oder Stilvergleiche zu erhalten.